Chögyal Namkhai Norbu
Chögyal Namkhai Norbu ist einer der bedeutendsten lebenden Dzogchen Meister. Er wurde 1938 in Derge, in Osttibet, geboren. Bereits im Alter von zwei Jahren wurde er von Palyul Karma Yangsid und Shechen Rabjam als Reinkarnation des Dzogchen Meisters Adzom Drugpa anerkannt. Im Alter von drei Jahren erkannte ihn S.H., der 16. Gyalwa Karmapa als Geistinkarnation von Ngawang Namgyal, dem ersten Dharmaraja von Bhutan.
In seinen jungen Jahren studierte Chögyal Namkhai Norbu im Kloster Derge Gongen. Mit neun Jahren trat er ins Sakya College ein und studierte dort mehrere Jahre buddhistische Philosophie unter Khyenrab Chökyi Oder. Er erhielt zahlreiche Übertragungen des Tantra und Dzogchen und auch unzählige Belehrungen von verschiedenen Meistern, darunter auch sein väterlicher Onkel Togden Urgyen Tendzin (der den Regenbogenkörper erlangte), sein mütterlicher Onkel Khyentse Rinpoche Chökyi Wangchug, sowie von Drubwang Rinpoche Kunga Palden, Negyab Rinpoche, Drugse Gyurmed Dorje und Dzongsar Khyentse Rinpoche. 1951 erhielt er auch Unterweisungen von der Meisterin Ayu Khandro Dorje Paldrön, die mehr als 50 Jahre lang im Dunkelheitsretreat verbrachte und Schülerin von Jamyang Khyentse Wangpo war.
1953 wurde Chögyal Namkhai Norbu als Repräsentant der tibetischen Klöster nach China eingeladen. Nach seinen Besuchen in Chengdu und Chungching folgte er einer Einladung nach Menyang, wo er Tibetisch lehrte. Während dieser Zeit traf Rinpoche Gangbar Rinpoche, von dem er die Sechs Yogas von Naropa und andere Belehrungen erhielt.
1955 traf Rinpoche seinen “Wurzel-Meister” Rigdzin Changchub Dorje und blieb sechs Monate bei ihm in Khamdogar. Von Changchub Dorje erhielt er die authentische Übertragung des Dzogchen und verwirklichte die Essenz der Belehrungen als einen Zustand des Wissens jenseits aller Begrenzungen.
In den späten fünfziger Jahren des vorigen Jahrhunderts machte Chögyal Namkhai Norbu eine Pilgerreise nach Tibet, Indien und Nepal. Als er 1959 in Sikkim weilte, wurde Tibet von den Chinesen besetzt, wodurch seine Rückkehr nach Tibet und zu seiner Familie unmöglich wurde. So verblieb er in Sikkim und arbeitete als Autor und Herausgeber.
Da Rinpoche bereits im Alter von 22 Jahren über die Grenzen hinaus als großer und bedeutender Kenner der tibetischen Kultur in all ihren Aspekten bekannt und geschätzt war, wurde er vom berühmten Professor und Gelehrten Giuseppe Tucci an das ISMEO Institut nach Rom eingeladen, wo er zwei Jahre lang arbeitete.
1962 wurde Chögyal Namkhai Norbu ordentlicher Professor am Istituto Universitario Orientale in Neapel, wo er bis 1992 tibetische Sprache und Literatur lehrte.
Während der gesamten Zeit seines Aufenthalts in Italien richtete Rinpoche sein Hauptaugenmerk auf das Studium und die Erforschung der antiken Geschichte Tibets. Seine Bücher über Geschichte, Medizin, Astrologie, Bon und Volkstradition spiegeln sein tiefes Verständnis der tibetischen Kultur und seine intensiven Bemühungen zur Bewahrung dieses einzigartigen Kulturguts wider. Dafür wurde ihm von Seiten der Tibeter und auch von den Gelehrten weltweit großer Respekt gezollt.
1971 begann Chögyal Namkhai Norbu Yantra Yoga, die antike Form des tibetischen Yoga, der Bewegung, Atmung und Visualisation verbindet, zu lehren. Einige Jahre später gab er zum ersten Mal Dzogchen Belehrungen an eine kleine Gruppe von italienischen Studenten, aus der später die internationale Dzogchen Gemeinschaft entstand. 1977 kam Rinpoche zum ersten Mal nach Österreich und es entstand die Dzogchen-Gemeinschaft Österreich. Zu dieser Zeit war Dzogchen im Westen nahezu unbekannt und es war Chögyal Namkhai Norbu, der diese Belehrungen hier für Interessierte zugänglich machte und in Worten gemäß der modernen Gesellschaft erklärte.
Im Laufe der Zeit stieg das Interesse an den Belehrungen von Chögyal Namkhai Norbu auf der ganzen Welt. Er gründete zahlreiche Gars, Hauptsitze der Dzogchen-Gemeinschaft, die heute in Italien, Spanien, Rumänien, den Vereinigten Staaten, Südamerika, Australien, Russland und der Ukraine sind.
Neben seinen spirituellen Aktivitäten gründete Chögyal Namkhai Norbu auch das internationale Shang Shung Institut zur Bewahrung der tibetischen Kultur im Westen und ASIA, eine NGO, die hauptsächlich in Tibet tätig ist und sich um die medizinische Versorgung der Tibeter und die schulische Ausbildung der tibetischen Kinder bemüht.
Chögyal Namkhai Norbu verstarb am 27. September 2018.